Nach einer unbequemen Nacht in Ormoc, einer der größeren Städte auf Leyte, ging es am Dienstag weiter auf „die Insel“. Während mich Ormoc am Montag-Abend kaum interessiert hat (es gab wenig zu sehen), war der Aufbruch am Dienstag schon eher ein Erlebnis.
Im Gegensatz zu Manila herrschen in Ormoc nicht die Jeepneys, sondern Tricycles als Fortbewegungsmittel vor – davon abgesehen ist es aber das gleiche Stadtbild. Nur der Hafen ist bringt etwas Leben in die Stadt. Auslegerboote aller Art legen hier an und vermitteln polynesische Stimmung.
Auf den Camotes angekommen musste ich feststellen, dass wir nicht im Rock Resort, ja nicht einmal auf der größeren Insel sind, sondern auf der dritten Insel der Gruppe. Hier gibt es zwar einige kleine Orte, aber kein Internet und auch sonst wenig zu tun. Die Unterkunft entschädigt aber für alles. Direkt neben dem Grundstück von GM Yulis Bruder hat sich Pepe, ein in Holland lebender Filipino, ein kleines Paradis errichtet. (Siehe Fotos.) Hier im Garten oder im Hof von Yulis Bruder findet auch das Training statt.
Außer mir ist hier noch Russ, ein Engländer, der mir jetzt zwei Wochen Training voraus hat. Für mich ist das optimal, da er mir vermitteln kann, was ich im Training falsch mache – im Gegensatz zu GM Yuli (oder Mangtas, wie er sich selbst nennt) denkt Russ wie ich – wie ein Europäer. Es muss für ihn ziemlich schwierig gewesen sein, von GM Yuli zu lernen, da die Techniken an ihm selbst demonstriert wurden und er nicht von aussen ‚zusehen’ konnte. Für mich ist die Situation wesentlich angenehmer, da alles zuerst an Russ demonstriert wird und er mich auch vor und nach dem Training korrigieren kann bzw. kommenden Fehlern vorbeugt.
Denn das Training mit GM Yuli lässt sich nicht mit dem europäischen FMA-Training vergleichen. Es begann am Mittwoch mit dem Abierta-Serrada Drill des Bahad Zubu. Dabei geht es weniger um Technik als vielmehr darum, ein Gefühl für das Bodymovement des Bahad Zubu zu bekommen. – Obwohl ich wusste, was ich machen soll, verstand ich nicht, worum es ging. Nachmittags ging es weiter mit Decuerdas – wobei auch hier keine Technik, sondern eine Trainingsform gemeint ist. Zwei Stöcke an einem Seil, die es zu treffen gilt. – Nur nicht zu stark, denn die Stöcke wehren sich. In Decuerdas hat man eine Trainingseinrichtung, die Reflexe und vor allem Footwork trainiert, aber nie zu meistern ist – denn je schneller man selbst wird, umso schneller werden auch die Stöcke. (Irgendwo auf YouTube gibt’s ein Video dazu, falls jemand mehr wissen will.)
Das war der praktische Teil des Trainings, der etwa 25 % ausmachte. Der Schwerpunkt des Unterrichts von GM Yuli ist aber das Verständnis, und so wird sehr viel erklärt – technisch wie auch historisch. Die Auffassung von GM Yuli ist, dass er nur das Wissen vermitteln kann – trainieren muss jeder selber. Und so geht es auch nicht um Geschwindigkeit und Power, sondern vorrangig um korrekte Ausführung und Verständnis. Die „Session“ war gesplittet und so waren es insgesamt etwa 5-6 Stunden theoretisches und praktisches Training. Im Anschluss daran ging es dann mit Russ weiter, der mich ein bisschen auf den kommenden Tag vorbereitete, um seine Fehler bei mir zu vermeiden. Wir beschäftigten uns insbesondere mit der Schrittarbeit des Bahad Zubu (die wirklich überzeugend, aber auch erschreckend ungewohnt ist, denn die Gewichtsverlagerungen ähneln eher dem Capoeira) und der Redonda. Redonda im Bahad Zubu ist nicht einfach die Abfolge von Schlägen. Sie unterscheidet sich nicht nur technisch (wenn auch nur in kleinen, aber entscheidenden Punkten) sondern vor allem auch in der Anwendung. Schon beim Training von Russ mit GM Yuli konnte ich feststellen, dass jede Technik des Bahad Zubu mit jeder Waffe – zwei Stöcke, zwei Barongs, zwei Messer, ein Stock, ein Barong, ein Messer, Barong und Messer – und waffenlos umgesetzt wird. Wie auch bei seinem Bruder Pedring wird der Unterschied durch die Schrittarbeit und Gewichtsverlagerung ausgeglichen. So ist es auch mit der Redonda, die vor allem Waffenlos eine Fülle von möglichen Techniken enthält. GM Yuli nennt das die „Fruits“. Wenn man die Basis versteht, kann man die Früchte, nämlich Hebel, Entwaffnungen, oder einfach Sweeps und andere Störtechniken daraus entwickeln. Dazu wird die Redonda im Bahad Zubu fest mit der Schrittarbeit verknüpft … und dann wird es richtig kompliziert!
Erfreulicherweise begann GM Yuli das Training am Donnerstag auf eher ungewöhnliche Art und Weise – fast westlich. Er nahm sich sehr viel Zeit, uns die Gewichtsverlagerung und Schrittarbeit zu vermitteln, was sehr hilfreich war. Sieht man, wie sich GM Yuli bewegt, zweifelt man daran, ob man das als Europäer umsetzen kann – und wahrscheinlich geht es auch kaum. Nachdem er aber erklärt hat, warum und wie er sich so bewegt, kommt das Verständnis. Danach ging es wieder zum Abierta-Serrada Drill (mit Messer und Stock), der diesmal viel mehr Sinn machte – nachdem ich ein ungefähres Verständnis für die nötige Körpermechanik hatte. In der Mittagspause nahm sich Russ dann wieder Zeit, mir schon vorab die Grundlagen des Retirada – Atracada zu erklären, mit dem es am Nachmittag weiterging. Retirada ist in seiner Grundform eine Verteidigung mit zwei Klingenwaffen, wird aber wieder in allen Variationen umgesetzt. Die Schrittarbeit ist der wichtigste Part der Technik, weshalb sie auch als erstes unterrichtet wird. Schon nach kurzer Zeit kommt man hier ins Schwitzen und Keuchen und so gab es wieder viele theoretische Erklärungen zur Technik. Dann ging es weiter mit Redonda und einigen anderen Themen. Wieder nahm sich GM Yuli ca. 6 Stunden Zeit für das Training. Außerdem bekam ich einige Einblicke in das kommende Training (leider weiß ich nicht, wie man die ganzen KI-Techniken schreibt) – es ist ein volles Pensum. Obwohl es „nur“ darum geht, die Technik zu verstehen, nicht, sie schnell ausführen zu können, ist es eine Menge Arbeit. Und so ist es denn auch sehr entspannend, wenn man nach dem Training eine Stunde schwimmen gehen kann – der Insel sei Dank!
Morgen (= Freitag) fahre ich mit dem Boot nach Ormoc, um einzukaufen, und dann werde ich hoffentlich diesen Bericht online stellen können. Da das aber etwa 2 Stunden Bootsfahrt in jede Richtung sind, werden meine Berichte in den nächsten drei Wochen eher sporadisch erscheinen.
Hier noch ein paar Eindrücke von der Insel und Ormoc.
